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POSEIDON

aus Karlsruhe spielten progressiven Rock mit symphonischen Bestandteilen. Ihre Vorläufer waren die 1969 gegründeten Prussic Acid. Tony Mahl (*29.4.1950) an den Tasten spielte schon von Kindesbeinen an Klavier, hatte jahrelangen Unterricht daran bekommen und sich später am Konservatorium weitergebildet. Einflüsse nahm er von Brian Auger und Jimmy Smith auf, auch etwas von Keith Emerson. Rudi Metzler (*10.9.1951) am Schlagzeug kümmerte sich nebenher um das Geschäftliche.

Sein Bruder Theo Metzler (*16.8.1952) übernahm die Gitarre, der Straßenmusiker Horst Meinzer (*13.1.1951 in Karlsruhe) mit seiner unverkennbaren heiseren Stimme den Gesang, den Baß und die akustische Gitarre. 1974 führten innere Spannungen zur Teilung, und plötzlich gab es Prussic Acid gleich zweimal. Die eine Ausgabe spielte mit Tony Mahl und den Metzler-Brüdern, die andere mit Horst Meinzer, jeweils ergänzt durch neue Leute. Doch dieser unhaltbare Zustand währte nicht lange. Man raufte sich wieder zusammen, nannte sich von nun an Poseidon und verstärkte sich ab Februar 1975 mit Wilfried Sahm (*17.1.1955) als zweitem Gitarristen und Sänger, der von der Musikhochschule kam und vorher bei der Politrockgruppe Checkpoint Charlie gespielt hatte.

Die üppige Anlage betreute Günther Buchwald. Für den Gesang wählte man die englische Sprache, da sie fließend ist und ihr Klang gut mit der Stilrichtung vereinbar ist. In einem Faltblatt, das sie damals herausbrachten, heißt es: „Getragen von klaren, aus-gefeilten Baß- und Schlagzeugkombinationen, ergänzen sich zwei Gitarren sowie Orgel, Synthesizer und Piano zu einer einfallsreichen Gruppe mit exakt arrangierten, melodiösen Stücken. Durch das umfangreiche Instrumentarium, welches durch einen oft mehrstimmigen Gesang ergänzt wird, gelingt es den fünf Musikern, sich ständig zu steigern, um gemeinsam mit einer eindrucksvollen Lightshow einen perfekten Stage-Act zu bieten. Poseidon besticht sowohl durch das nahezu virtuose Können jedes einzelnen als auch durch die geschlossene Interpretation ausschließlich selbst komponierter Stücke.

Aus dem Wechselspiel von elektrischen und akustischen Gitarren sowie den Keyboards ergibt sich ein weicher, einfühlsamer Rock, in welchem Blueseinflüsse deutlich werden. Die große Erfahrung und Professionalität der Musiker wird verständlich, wenn man weiß, daß die Gruppe in einer alten Tabakfabrik unweit Karlsruhe wohnt und dort unter liveähnlichen Bedingungen ihre Proben gestaltet“ Ihre Auftritte führten Poseidon bis nach Frankreich und Belgien, u.a. als Vorgruppe von Brian Auger und Inga Rumpf. Jedenfalls waren sie wie auch vorher schon Prussic Acid damals die bekannteste und beste Gruppe Karlsruhes, deren guter Ruf weit ins Umland ausstrahlte. So lag es nahe, den nun auch mit einer Plattenveröffentlichung zu untermauern. Im Herbst 1975 ging man ins Tonstudio Zuckerfabrik im Stuttgarter Ortsteil Bad Cannstatt und nahm dort sechs selbstgeschriebene Stücke auf, die man kurz darauf als LP „Found my way“ (Z 33010) im Selbstverlag in einer Auflage von 1000 Stück herausbrachte.

Die sehr geschmackvolle Hülle wurde von Werner Kühn gestaltet, einem Freund der Gruppe. Gemäß ihrem hohen Anspruch ließ man sich auf keine Halbherzigkeiten ein und machte 16000 Mark für das Ganze locker, damals sehr viel Geld. Dafür mußte man sich hoch verschulden. Die fertige Platte verschickte man an zwei große Labels, um sie dort vielleicht unterbringen zu können. In einem wohlwollenden Antwortschreiben von Metronome-Manager Hartwig Biereichel an Horst Meinzer vom 10.11.1976 heißt es u.a.: „In der letzten Zeit ertappe ich mich immer häufiger dabei, daß Eure LP mehrere Male täglich auf meinem Plattenteller liegt und ich immer mehr Gefallen an Eurer Musik finde.“ Doch dieser vielversprechende Ansatz brachte nicht den erhoffien Durchbruch, denn schon kurz vorher hatten Poseidon sich aufgrund von Meinungsverschiedenheiten aufgelöst, als erst die Hälfte der LP-Auflage verkauft war.

Die Metzler-Brüder hatten so weitermachen wollen wie bisher, während Tony Mahl und Horst Meinzer eine Erweiterung durch Bläser und mehrstimmigen Gesang im Auge hatten. Die schon immer vorhandenen Spannungen innerhalb der Gruppe haften sich bisher eher schöpferisch anregend ausgewirkt, doch nun war die Grenze erreicht. Oder, wie sie es selbst ausdrückten: „Um das musikalische Ziel zu erreichen, wurde oft heftig gerungen; das führte manchmal zu Spannungen. Daraus folgt auch, daß die Gruppe immer nach Besserem suchte — bis zur Auflösung.“ Zu Beginn der neunziger Jahre wandte sich das bekannte französische Musea-Label wegen einer Neuveröffentlichung von „Found my way“ an Poseidon, doch die Verhandlungen verliefen nach längerer Zeit im Sande. Vorliegende CD stammt nun vom Mutter-band. Die acht Zusatzstücke wurden bei einem Karlsruher Auftritt mitgeschnitten und sind bisher unveräffentlicht, die Ansagen dazu macht Horst Meinzer in seiner launigen Art. Die Hülle der LP wurde wie üblich so, wie sie ist, für die CD übernommen.

Alle fünf machen heute noch Musik. Theo Metzler betreibt ein Tonstudio und macht die Beschaflung für Chaka Khan, mit der er fast ständig unterwegs ist. Seinem Bruder Rudi gehört der Rock Shop in Karlsruhe. Wilfried Sahm ging nach seiner Zeit bei Poseidon wieder zurück zu Checkpoint Charlie, mit denen er die LPs „Frühling der Krüppel“ (D 1978: Schneeball 2015), „Checkpoint Charlie“ (D 1979: Schneeball 2019) und „Krawall im Schweinestall“ (D 1981: Schneeball 0024) veröffentlichte. Heute arbeitet er als Musiklehrer. Ebenfalls Lehrer ist Tony Mahl. Horst Meinzer spielt mit seiner Gruppe Bosco Biati und verkauft in seinem Karlsruher „Weinparadies“ hochgeistige Getränke. Wer gerne ein Gläschen mit ihm schlürfen will, ist herzlich dazu eingeladen.

Zum Schluß noch zwei Stimmen zu Poseidon. Während die Gruppe in Dag Erik Asbjornsens „Cosmic dreams at play“ überhaupt nicht erwähnt ist, heißt es in „The crack in the cosmic egg“ von Steven und Alan Freeman (Leicester 1996) lediglich: „Rätselhafte Hardrockgruppe, offenbar mit Raumklängen nach Art von Pink Floyd.“ Eine ausführliche Besprechung ihrer LP fand sich damals in den „Badischen Neuesten Nachrichten“ in der Abteilung Platten-Box. Auszüge: „Wenn sich jemand in Karlsruhe für Rock-Musik interessiert, dann muß er die Gruppe Poseidon kennen. Denn dieses Quintett ist so eng und so lange schon mit dem Geschehen in Sachen Rock in der Fächerstadt verbunden, daß man geradezu sagen möchte: Die Karlsruher Rock-Szene, wenn es so etwas überhaupt gibt, ist Poseidon.

Schon sieben Jahre lang betreiben sie ihr Hobby ernsthaft, ohne sich von Tagestrends allzu stark beeinflussen oder gar ablenken zu lassen. Deshalb mag manches, was sie jetzt auf ihrer ersten Langspielplatte veröffentlicht haben, ungewohnt klingen, schlecht ist es deshalb aber gerade nicht: Schon daß da nur auf Englisch gesungen wird, mag heute, da jeder zweizeilige deutsche Kalauer Hitchancen hat, fast altmodisch wirken. Es ist deshalb auch durchaus angemessen, ihren LP-Titel „Found my way“ als Anspruch zu verstehen. Poseidon macht tatsächlich eine eigenständige Musik, ohne sich in kurzlebigen Modephasen auszutoben. Ihre durchweg selbstkomponierten Stücke kann man wohl am ehesten als Rock-Balladen bezeichnen. Sie sind rockig, d.h. mit einem kompromißlosen Viervierteltakt unterlegt, und doch balladesk, also stimmungsvoll, da handwerklich sauber aufgebaut und manchmal raffiniert arrangiert.

Überhaupt ist auszumachen, daß sich die Gruppe auf ihr solides technisches Können verläßt, ihre Möglichkeiten souverän ausnutzt, es aber nicht durch unkontrollierte musikalische Saltos überstrapaziert. So entstand eine abwechslungsreiche, spannungsgeladene Platte. Nicht nur Karlsruher Rock-Freunden sei sie empfohlen. Als Amateure haben es die Poseidon-Musiker schwer, sich den Marktgesetzen zu unterwerfen. Sie vertreiben ihr Opus im Selbstverlag. In ihre Produktion hat ihnen dafür niemand reingeredet.“

(Aus dem garden of Delight Booklet)

BESETZUNG

THEO METZLER - GUITAR, BASS, PERCUSSION, VOCALS

HORST MEINZER - VOCALS, BASS, GUITAR

TONY MAHL - KEYBOARDS

RUDI METZLER - DRUMS

WILFRIED SAHM - GUITAR

POSEIDON - FOUND MY WAY

RECORDED 1975 - Garden of delight (2001)

1. THE TRIP 5:02

2. SWIMMING AGAINST THE STREAM 8:35

3. HOW HEAVY THE DAYS 5:06

4. COLD FARMER 7:04

5. SURPRISE 4:42

6. FOUND MY WAY 7:41

7. RUN YOU OFF THE HILL 6:11

8. AMERICA 6:25

9. SITTING ON TOP OF THE WORLD 4:08

10. SPOONFUL 1:04

11. CROSSROADS 4:19

12. JOHN BARLEYCORN MUST DIE 4:37

13. WHITE ROOM 5:17

14. I`M GOIN`HOME 6:47